Wie man es von einer gelungenen Kreuzfahrt her kennt, weiß man, dass die Reise im Vordergrund steht und nicht das Ziel an sich.

Ein Blick auf das Tor I der JVA Tegel
Ein Blick auf das Tor I der JVA Tegel

Bei einer Kreuzfahrt, sind es die Annehmlichkeiten und die Stationen, die im Gedächtnis bleiben. Hier möchte ich von meiner Reise mit der MS JVA Tegel erzählen.

Der Buchungsprozess

Der Buchungsprozess begann bereits etwas holperig und zwar mit der telefonischen Erreichbarkeit des Gruppenleiters, um eine Einlassverfügung beantragen zu können. Mehr als 15 Versuche, den Gruppenleiter innerhalb von 14 Tagen zu erreichen, glückten letztendlich doch noch, obwohl so viele Anrufe ins Leere liefen, da niemand ans Telefon ging. Endlich hatte ich jemanden an der Leitung und bat darum,  eine Einlassverfügung für den kommenden Samstag um 16:00 Uhr zu vereinbaren, da ich beruflich bis abends arbeite. Dieser Termin wurde mir auch genehmigt und bestätigt. Soweit so gut. Als ich an der Pforte mit meiner Einlassverfügung ankam, teilte man mir mit, dass der Einlass am Samstag nur bis 15:00 Uhr möglich sei. Offenbar wusste dies der Gruppenleiter nicht und nach langer Überredungskunst ließ man mich doch zu meinem Häftling hinein, jedoch nur für die Dauer von 30 Minuten. Das fing ja schon einmal super an.

Die Boardkarte

Um meinen Vollzugshelfersausweis zu erhalten, musste ich erneut unzählige Anrufe ins Leere gehen lassen, bis ich dann den zuständigen Mitarbeiter telefonisch erreichen konnte. Leider wurden mir nur Termine innerhalb der Arbeitswoche bis spätestens 15:00 Uhr für die Abholung des Ausweises angeboten, so dass ich mir einen Urlaubstag dafür nehmen musste. Letztendlich war ich trotzdem froh, den Vollzugshelferausweis in den Händen halten zu können und somit nicht wieder den Aufwand mit den Einlassverfügungen betreiben zu müssen.

Die Einschiffung

Auf dieser Station sind mir wohl die meisten Dinge aufgefallen.

Das Schließfachbingo

Bevor man in die JVA eingelassen wird, soll man seine persönlichen Sachen in die Schließfächer außerhalb des Gefängnisses einschließen. Das Schließfachbingo begann! Der Zustand der Schließfächer war, wohl auch durch die Witterung bedingt, sehr schlecht. So war  es war immer wieder ein Glücksspiel, ein funktionierendes Schließfach zu finden, welches sauber schloss und in welchem sich der Schlüssel problemlos herumdrehen ließ. Ich hatte nach einigen Besuchen ein gutes Fach gefunden und mir die Nummer gemerkt. Schade, dass auch dieses Wochen später seinen Geist aufgab und das Schließfachbingo von neuem begann. Mal blieb bei der Suche nach einem funktionierendem Fach die Münze stecken, so dass sie nicht mehr ausgeworfen wurde, mal waren die Türen einfach so verrostet und verzogen, dass das Fach nicht mehr schloss bzw. sich der Schlüssel nicht mehr herumdrehen ließ.

Der Klingelterror

Nachdem ich das Schließfachbingo hinter mir gelassen hatte, stand ich, wie so oft, vor der verschlossenen Tür. Das an sich ist sehr gut, denn es handelt sich ja um ein Gefängnis. Gut sichtbar angebracht ist ein Klingelknopf inklusive Sprechanlage, damit Besucher, externe Mitarbeiter, Anwälte und andere Personen die Pforte betreten können. Ich drückte also den Klingelknopf, die Tür öffnete sich und ich stand am Empfangsschalter der Pforte. Dort teilte man mir mit, ich solle doch bitte nicht diese Einlassklingel benutzen, sondern 5-10 Minuten vor verschlossener Tür warten, denn man könne mich über die Kamera sehen. Ich bekam also ein Klingelverbot. Auf meiner Nachfrage hin, wieso die Klingel dann dort installiert sei und wer diese benutzen könne, wies man mich wiederum an, diese nicht zu benutzen, da eventuell Stromstöße zu befürchten seien. Mit diesen Ausreden möchte man sicherlich seinen Arbeitsplatz akustisch ruhig halten, verunsichert jedoch externe Mitarbeiter in einer extremen Art und Weise.

Nicht auf der Passagierliste

Diesmal wurde mir an der Pforte mitgeteilt, dass ich meinen Häftling nicht besuchen könne, da an diesem Tag der Gefangeneneinkauf in Gange wäre. Zu dieser Zeit könne grundsätzlich niemand eingelassen werden. Über diese neue Regel wurde weder ich noch andere ehrenamtliche Mitarbeiter vorab informiert. Es hing neben dem Empfangsschalter ein Ausdruck mit den Terminen, wann dieser Einkauf von statten geht. Diese Liste konnte man mir nicht aushändigen und auch meine Nachfrage, ob diese Informationen im Internet verfügbar seien, verneinte man. Da ich mein Smartphone bereits beim Schließfachbingo eingeschlossen hatte, konnte ich diese Liste auch nicht abfotografieren. Dieses Mal hatte ich also kein Glück, obwohl ich zuvor beim Schließfachbingo gewonnen hatte. Ich bat den Beamten, meinen Häftling zu informieren, dass ich nicht eingelassen werden konnte, jedoch, so die Antwort,  könne man solche Informationen nicht weitergeben. Ich schrieb meinem Häftling also eine Postkarte und entschuldigte mich, dass unser Treffen nicht stattfinden konnte. Später erfuhr ich, dass ehrenamtliche Mitarbeiter von dem Einlassverbot während des Gefangeneneinkaufes zumindest nicht für den Bereich in Tegel, den ich aufsuchen wollte, betroffen waren – dies wusste man allerdings an der Pforte nicht.

Am darauf folgenden Treffen hatte ich mit dem öffentlichen Nahverkehr Probleme. Mein Fahrweg erstreckt sich einmal quer diagonal durch Berlin, so dass ich 1,5 Stunden benötige, um an der Pforte in der JVA zu sein. Das erfordert einen flexiblen Arbeitgeber, damit ich diese Zeit schon am Morgen vor meiner eigentlichen Arbeitszeit aufhole und dementsprechend früher von Arbeit losgehen kann. Dieses Mal stand ich 2 Minuten nach der Einlasszeit an der Pforte, also um 18:32 Uhr.

Dort wies man mich zurecht, dass ich zu spät sei und ich nicht mehr eingelassen werden könne. Nach meiner Entschuldigung und Erklärung, dass eine defekte U-Bahn schuld war, lies man mich doch noch zu meinem Häftling, allerdings mit der Auflage die JVA nicht später als 19:30 Uhr wieder zu verlassen. Ich weiß, dass ich dieses eine Mal zu spät gekommen bin, auch wenn nicht signifikant.  Trotzdem:  Der Umgang mit ehrenamtlichen Mitarbeitern war auch in diesem Fall desaströs.

Die Ausschiffung

Beim nächsten Mal konnte ich an Board gehen und meinen Häftling besuchen, doch eine Überraschung hatte wieder einmal die Pforte beim Verlassen der Anstalt für mich parat. Als ich am Empfangsschalter ankam und kein Bediensteter durch die Scheibe zu erkennen war, betätigte ich die Klingel der angebrachten Sprechanlage, um den zuständigen Mitarbeiter zu rufen, der sicherlich am anderen Empfangsschalter für den Einlass saß. Als der Beamte bei mir eintraf beschwerte dieser sich lautstark mit den Worten: „Wenn Sie noch einmal diese Klingel drücken sollten, kommen Sie hier nie wieder raus!“. Ich solle nicht klingeln, sondern 5-10 Minuten warten und mehr Rücksicht nehmen. Ich war schlichtweg geschockt. Anders, als angedroht, wurde ich trotzdem herausgelassen, jedoch mit einer ausgeprägten Klingelphobie.

Das Servicepersonal

In der gesamten Zeit meiner Vollzugshelferschaft hat der zuständige Gruppenleiter drei Mal gewechselt. Nur mit dem ersten hatte ich telefonisch Kontakt, um eine Einlassverfügung zu erhalten. Die zwei weiteren habe ich weder gesehen noch Kontakt zu ihnen gehabt.
In meiner Vorstellung, so dachte ich zumindest, wäre der Informationsaustausch über den zu betreuenden Häftling etwas reger.

Nächstes Jahr wieder eine Kreuzfahrt?

Fürs kommende Jahr bevorzuge ich lieber das Flugzeug. Mein Häftling ist glücklicherweise bereits Freigänger, so dass wir uns außerhalb der JVA Tegel treffen können. Seine Entlassung ist in wenigen Monaten zu erwarten. Ich habe mich nach langer Überlegung dafür entschieden, keinen weiteren Häftling zu betreuen, da die Rahmenbedingung für ehrenamtliche Mitarbeiter, die einen Häftling in der JVA Tegel betreuen wollen, einfach zu schlecht sind. Es fängt mit den Einlasszeiten an, die nur selten mit einer berufstätigen Person vereinbar sind und hört mit der Unfreundlichkeit der Bediensteten auf.

Zum Schluss möchte ich die sehr gute Zusammenarbeit und Betreuung der AG Haft des Mann-O-Meter e.v. herausstellen und auch den sehr positiven Verlauf meines Häftlings bis heute. Auch möchte ich erwähnen, dass es in der JVA Tegel durchaus freundliche und interessierte Mitarbeiter gibt. Leider überschatten jedoch gewisse Erlebnisse und einzelne Mitarbeiter das gesamte Reiseerlebnis. Meine Hoffnung ist, dass die MS JVA Tegel nicht untergeht, auch wenn viele Matrosen bereits von Board gesprungen sind. Falls sie doch sinken sollte, war wohl der Personalmangel schuld.

 

Autor S. 

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